Hafentage in Gdansk

Während Inge, Silke und Jochen die wunderschöne Stadt Danzig erkunden, warte ich auf den Yachtservice, den mir die Mädels vom Hafenbüro vermittelt haben. Zwar erscheint irgendwann einmal ein „Motor-Mensch“, erklärt sich aber selbst für nicht kompetent. Sein avisierter Kollege taucht niemals auf! Auch der Segelmacher, der nach dem gebrochenen Unterliekstrecker sehen soll, erscheint nicht. Also das Provisorium nochmals verbessern. Inzwischen habe ich immer wieder das Startverhalten des Motors getestet; es gibt absolut keine Probleme. Ob doch nur irgendwie Feuchtigkeit eingetreten ist?

Wir werden die Überfahrt auch so riskieren (müssen). Für das Wochenende und den Wochenanfang ist Starkwind/Sturm vorhergesagt. Und am Donnerstag geht von Klaipeda die Fähre, die Silke und Jochen nach Kiel zurück bringen soll. Mit Hilfe von zwei niederländischen Seglern, die mit uns im Konvoi fahren wollen und die notfalls ihre Hilfe angeboten haben, starten wir am Freitagmorgen.

Danzig – Helsinki: 09.Juni bis 05. Juli 2017 – 547nm

Danzig – Klaipeda

Nun geht die „große“ Überfahrt los! Wachplan im 4-h-Takt ist für die nächsten 36 Stunden festgelegt, Inge und Jochen bilden eine Wache, Silke mit mir die zweite.

Um 07.15h legen wir ab, müssen ein wenig vor der neuen Brücke warten, dann noch schnell tanken und schon geht es durch den Kanal und den riesigen Hafen. Ein dicker Pott dreht noch vor uns im Hafenbecken, dann sind wir auch schon draußen im Fahrwasser. Ein erster Versuch zu segeln scheitert am flauen Wind, also wollen wir mit Stützsegel bis Höhe Hel motoren und dann unser Glück erneut versuchen.

Ich weise meinen Rudergänger noch darauf hin, dass hier in der Bucht viele Fischernetze ausliegen sollen, dann gehe ich runter, um das Logbuch zu führen.

Um 10.10h erstirbt der Motor! Jochen hat mit der Schraube die Ankerleine eines Fischernetzes gefangen! Nach kurzer Beratung, ob wir das Problem selbst lösen können, wir aber unsicher sind, was passieren kann, wenn wir das Fischernetz einfach abschneiden und treiben lassen, entscheide ich, Port Control Hel anzufunken und um Hilfe zu bitten.

Gegen 11 Uhr kommt ein SAR Schlauchboot, die nur fragen, ob jemand verletzt ist, mehr können oder wollen sie nicht tun. Sie bieten uns an, uns entweder einen Taucher zu besorgen oder ein größeres Abschleppfahrzeug. Nach einem Telefonat mit dem Taucher kommt das Angebot: Umgerechnet €620 für den Taucher! Inge fährt mit dem SAR Boot nach Hel, um Taucher und Bargeld zu holen.

Der Taucher benötigt ca. 10 min., dann ist die Schraube wieder frei. Kein schlechter Stundenlohn!!! Die SAR Leute warten noch, ob mit unserer Maschine alles OK ist, dann drehen sie ab und wir können nun endlich die Überfahrt in Angriff nehmen. Die ganze Aktion hat uns mehr als 2,5h Stunden gekostet. Unsere niederländischen Segelfreunde hatten zwischenzeitlich auch ihre Schlepphilfe angeboten, doch wir hatten sie schon voraus geschickt. Nun sind wir in ständigem Kontakt mit ihnen.

Kurzfristig hatte die russische Marine, zu den in den Seekarten eingetragenen Schießgebieten weitere Schießgebiete ausgewiesen, die wir nach Rücksprache mit dem Hafenkontor in Danzig besser beachten sollten. Zwei zusätzliche Schießgebiete: wenn wir die einhalten, wird die Fahrt nach Klaipeda knapp 200sm lang; wenn man sich entlang der 12-Meilen-Zone lang hangelt, sind es nur 110sm!

Wir hatten mit den niederländischen Segelfreunden vereinbart, dass wir das erste zusätzliche Gebiet beachten wollten, dann aber sehen, was sich im zweiten Sperrgebiet noch so an Schifffahrt tummelt um dann zu entscheiden, ob wir da durchfahren. Kurz nach Mitternacht fällt die Entscheidung, das zweite Sperrgebiet zu durchfahren, nachdem sich dort diverse Berufsschifffahrt herumtreibt.

Trotz des Missgeschicks bzw. der Unachtsamkeit ist es insgesamt ein tolles Erlebnis. Wir können 2/3 der Fahrt bei guten Bedingungen segeln, die Wacheinteilung funktioniert auch sehr gut, so dass die „Freiwachen“ auch ein wenig zum Schlafen kommen. Zwar reißt irgendwann mal mein Unterliekstrecker-Provisorium, aber das stört irgendwie auch keinen mehr.

Nach 180sm FdW machen wir am Samstag, 10. Juni, gegen 14 Uhr in der Marina Castle Harbour in Klaipeda fest. Wir haben 29,5h gebraucht, berücksichtigt man unsere Fischernetz-Aktion, die uns 2,5h Zeit gekostet hat, sind wir mit einem Schnitt von 5.2kn die 161sm üG gefahren. Für jeden von uns der längste Schlag am Stück, doch alle sind auch ein bisschen stolz. Unsere niederländischen Freunde sind schon 3 Stunden da, so viel schneller als wir sind sie dann auch nicht gewesen.

Die Marina am Castle ist wirklich sehr schön gelegen, wir müssen nur bei den Besuchen der Sanitärräume daran denken, dass die Fußgängerbrücke jede Stunde für die Fußgänger geöffnet wird.

Hafentage in Klaipeda

Sonntag, 11.06., bis Donnerstag, 15.06., verbringen wir in Klaipeda.

Dann mache ich einen Yachtservice ausfindig, der mir von Selden einen neuen Schlitten für den Unterliekstrecker besorgen will und der sich auch um einen Elektriker kümmert, der die ganze Motorelektronik durchprüfen soll.

Sightseeing ist ebenso angesagt, wie eine Busfahrt nach Nida an der kurischen Nehrung. Wir laufen auf die Wanderdüne, besichtigen das Thomas-Mann-Haus und treffen auch wieder auf die Hamburger Besatzung der KIRAX, die wir mit ihrem verrückten Hund schon in Danzig getroffen hatten und die wir im Verlauf unserer weiteren Reise noch öfter treffen werden. Von den Wanderdünen können wir einen Blick in die ehemalige Heimat meiner Mutter werfen. Nicht einmal 70km von hier ist sie vor der Vertreibung aus Ostpreußen dort aufgewachsen.

Der Elektriker kann kein Problem mit unserer Motorelektronik feststellen, und auch der Schlitten für den Baum kommt wohl nicht rechtzeitig. Aber der nette Mensch vom Yachtservice sichert mir zu, dass er – zu sehr günstigen Preisen- nach Liepaja kommen wird, um das Teil auszutauschen.

Am Donnerstagnachmittag nehmen sich Silke und Jochen ein Taxi zur Fähre nach Kiel. Es war schon toll, dass sie sich für die Überfahrt von Danzig nach Klaipeda angeboten hatten – so war die Überfahrt doch viel entspannter als zu zweit.

Klaipeda, Littauen – Liepaja, Lettland

Am Freitag, 16.06. brechen Inge und ich schon zeitig in Richtung Liepaja auf. Knapp 60sm liegen vor uns. Leider haben wir mit dem Wind wieder kein Glück: Erst weht ein laues Windchen (<6kn) aus drehenden achterlichen Richtungen, dann dreht er ein wenig und wir können nachmittags wenigstens ein Stündchen segeln. Wir sind inzwischen schon recht bescheiden geworden in dieser Hinsicht. Um halb eins haben wir die Grenze zu Lettland überfahren, nun ist es halb sechs und wir müssen nach der Anmeldung bei Port Control fast eine halbe Stunde im strömenden Regen kreisen, bevor wir wegen eines Frachters die Einfahrt genehmigt bekommen. Um 18 Uhr machen wir in der Marina Liepaja fest. Diese Marina ist am Ende des Hafens in einem Kanal gelegen, nicht geschützt und dem Schwell der permanent dahin rasenden Motorbootfahrer ausgesetzt. Die meist jungen Leute machen sich einen regelrechten Spaß daraus, uns an den Holz-Schwimmstegen „tanzen“ zu lassen. Das führt so weit, dass im Laufe der nächsten Tage, die wir hier verbringen (müssen), eine Heckklampe ausreißt

Und als ich unser Boot beim Hafenmeister anmelde passiert Folgendes – unglaublich, aber wahr: Ich stehe mit dem Hafenmeister vor seinem Büro, ca. 200m von der XIOS entfernt, als plötzlich der Anlasser dreht und der Motor der XIOS von selbst startet!!!

Einen Volvo-Penta-Service gibt es auch in Liepaja nicht. Also kontaktiere ich meinen Service Partner in Flensburg, der meint, zu 95% würde es an dem MDI, der elektronischen Steuereinheit, des Motors liegen. Er hätte in diesem Jahr schon 6-7 dieser Teile erneuern müssen, ich hätte aber Glück, er hätte noch ein Ersatzteil auf Lager. Dieses würde er per Kurier schicken. Ich müsste es spätestens am Dienstag der folgenden Woche erhalten. Also bestellt!

Wir nutzen den ungeplanten Aufenthalt und fahren für zwei Tage nach Riga. Der nette Mensch vom Yachtservice Klaipeda hat inzwischen auch das Selden Ersatzteil und sagt, er würde auch während unserer Abwesenheit nach Liepaja kommen und das Teil im Baum tauschen. Also am nächsten Morgen Bootschlüssel beim Hafenmeister gelassen und mit dem Bus 4,5h nach Riga gefahren.

Tage in Riga

Ein Besuch von Riga ist wirklich empfehlenswert. Wunderschöne, restaurierte Altstadt. Wir besichtigen sie und einige der gut erhaltenen Kirchen, machen eine deutschsprachige Stadtführung (nur wir zwei und der Guide), die wirklich interessant ist und auch sehr humorvoll rübergebracht wird. Hier nur eine kleine Anekdote: „Lettland ist das einzige Land in Europa, das siebenmal „befreit“ worden ist, ohne jemals besetzt gewesen zu sein. Die fremden Mächte seien immer nur als „Befreier“ gekommen, niemals als „Besatzer“. Die letzten, die Lettland befreit hätten, sei die Europäische Union gewesen, die Lettland von seiner Währung befreit und dafür den Euro gebracht hätte.“

Die zwei Tage in Riga vergehen wie im Flug.

Nach unserer Rückkehr am Dienstagabend in Liepaja ist auch der Unterliekstrecker repariert, das Ersatz MDI soll nun doch erst Mittwochmorgen eintreffen. Das passiert auch mit einigen Schwierigkeiten bei der Zustellung und ich kann das Teil – nach entsprechender telefonischer Anleitung aus Flensburg – austauschen. Der Motor springt wieder tadellos an – und kann auch abgestellt werden!

2017 Ostseetörn – Unsere Baltische Runde

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